von: Totte

Ein klein wenig zerknittert fühle ich mich ja doch, als ich aus wirren Träumen erwache, es ist 08:30 Uhr, wir stehen bereits am Capitol Theater und die Sonne scheint glückselig über der Stadt. In der Buslounge treffe ich Tobi, der wieder in Sachen Merchlogistik fleißig zu sein scheint, vielleicht guckt er auch nur TikTok-Videos, ich weiß es nicht, aber nehme ersteres an und zugleich zum Anlass, ebenfalls aktivistisch meinen Laptop zu greifen und den gestrigen Tag für euch zusammenzufassen, liebe Lesemäuschen.

Danach dräut der Naturruf und ich tappse durch den geöffneten Eingang in die beeindruckende rotsamtene Vielräumigkeit des Capitol-Theaters. Sofort eilt mir ein Hausmeister entgegen und fragt etwas unwillig nach meinem Begehr, ich erkläre es ihm devot, und er erbarmt sich und lässt mich aufs Klo. Hm, denke ich, und ahne noch nicht, wie sehr ich damit recht behalten soll.

Danach versuche ich, Labörnski zu animieren, um mit mir zu laufen, aber er bittet sich Bedenkzeit aus, darum wandle ich nochmal in den Club, diesmal zeitmäßig im hochoffiziellen Rahmen und verstärkt durch Urs und wir treffen im Backstage unseren Veranstalter Lex, den wir ja nun auch schon seit unseres Kölnkonzerts kennen und schätzen, er ist sehr umtriebig und räumt die Räumlichkeiten auf, denn anscheinend tut das die Belegschaft des Capitols nicht, wenn sie ihre Räume für Konzerte an Bands vermietet. Ein schmutziges Business hier bildlich erklärt, und nur eins von einigen Beispielen, jedenfalls kann man sagen, dass Lex heute sehr gefordert ist, die clubeigenen Vergesslichkeitsmarotten auszugleichen.

Jetzt aber erstmal in die Laufschuhe und ab dafür. Düsseldorf hat viele schöne Ecken, Parks und ist sowieso jede Reise wert, ich allerdings laufe anscheinend in die falsche Richtung und darf eher große Straßen und seltsame Bretterbauten bestaunen, die direkt aus dem Jugendroman „der Kampf um die Kistenburg“ zu stammen scheinen. Leider laufe ich auch alleine, denn Labörnski war plötzlich unauffindbar, aber ich gedenke parbankdrückend seiner und laufe ein Stündchen ein gefälliges Ründchen. Auf dem Rückweg kommt mir Pensen joggenderweise entgegen und ich muss schon sagen, wir sind ein echter Laufhaufen.

Zurück im Club ist das Frühstück bereitet, herrlich, Dusche, Orangensaft, Stephen King.

Ab jetzt plätschert der Tag wieder, unterbrochen nur vom Busladen, Soundcheck und einem Interview mit Andreas vom Mehr davon-Radio, wir kennen uns schon eine Weile und es macht viel Spaß, weil die Fragen über das random „wie kommt ihr auf eure Texte?“ herausgehen und sich tatsächlich mit uns beschäftigen. Mit Rüdi probe ich noch kurz etwas ein, klopfe danach auf Holz, dass das nicht total schief geht und lege mich dann nochmal ab, um der Nervosität Herr zu werden.

Konzertbeginn:

Was ich vergessen habe zu erwähnen, ist, dass der Club hier der größte Raum ist, in dem wir in Düsseldorf je gespielt haben, sehr edel aussieht, klingt, und dank der vielen BesucherInnen auch äußerst ansehnlich gefüllt ist.

Eine beeindruckende Kulisse, und vor allem, wie gutgelaunt und euphorisch wir empfangen werden, lässt unsere Gemüter freudig bersten. Die Energie der Menschen trägt sich direkt zu uns auf die Bühne, wir saugen sie auf und singen sie wieder in den Raum und dort potenziert sie sich weiter, es ist eine perfekte Symbiose für einen knackigen Ballabend. Ganz wundervoll.

Wir besingen spontan Bierlieferanten und glänzen, uns selbst überraschend mit filigranen Mr. Parker- Soli, die sogar zeitgleich enden, das neue Rüdistück verhunze ich leider etwas, aber ich bin eh in leicht zerstörerischer Stimmung und zerlege mein Pommeslied boshaft selbst mit dem Wunsch nach Stadioninteraktion, dem das Publikum gerne hilfsbereit nachkommt, sich dadurch aber natürlich auch um die letzte Strophe bringt. Der Seegang im Raum ist sehr witzig austariert zwischen konzentriert liebevoll und ausgelassenem Rumfass, wahrscheinlich hat der Fortunasieg heute auch was damit zu tun. Fußball steckt ja überall drin. Wir quatschen, heute zeitkorsettbefreit, etwas mehr als gestern, spielen aber auch kraftvoll auf, ich würde sagen, wir sind schon ziemlich okay. Beim Seefahrerlied schlussendlich stehen Leo und Kate auf der Empore im magischen Lichthagel und alle weinen vor Rührung, Spaß und überhaupt, weils so schön ist. Unter Standing Ovations verabschieden wir uns von der Bühne, und ja, ich schreibe das zur Zeit immer, aber auch nur, weils uns wirklich passiert und sehr freut und wir sind ja schließlich nicht die Gallaghers.

Kaum hinter der Bühne, erfahren wir, dass der Club bereits vor einer dreiviertel Stunde den Getränkeverkauf fürs Publikum eingestellt hatte, und das ist einerseits dämlich für sie, aber auch ein unprofessionell unhöfliches Missverhalten unserem Publikum gegenüber, also laufe ich rasch mit einer Kiste Bier aus dem Backstage zum Merchstand, um zumindest ein paar DüsseldorferInnen noch etwas Gutes zu tun und treffe auf einerseits absolut zauberhafte VertreterInnen unseres Publikums, die gerne mit uns quatschen, ein Bier trinken und/oder sich Autogramme geben lassen möchten, und einer Capitol-Crew, deren Obermufti (frei nach Udo Lindenberg) sich wie eine offene Hose benimmt und zeternd durch die Menge eumelt und versucht, alle vor die Tür zu setzen, keine Ahnung warum, vielleicht will er früher nachhause oder ihm tut seine Position einfach nicht gut, manchen Menschen darf man einfach keine Verantwortung oder Hausschlüssel in die Hände drücken, man sieht’s ja an Trump und Merz und hier eben auch. Unmöglich. Normalerweise lassen wir in unseren Berichten über die meisten solcher Ärgernisse den vornehmen Mantel des Schweigens sich senken, aber hier erwischte es eben nicht nur uns, sondern auch unser Publikum, und zwar in einer derartigen Geballtheit, dass ich jetzt noch Wutflecken bekomme.

Um so schöner aber, wie stoisch und gutgelaunt die Menschen das Spiel einfach mitmachen und uns Monsters gar noch ein Ständchen am Merchstand singen, bevor sie sich verabschieden. Unsere Herzen taten Sprünge vor Freude, vielen Dank.

Viel Zeit wollen wir hier aber auch nicht mehr verbringen, Bernd ist ebenfalls ready, wir laden den Bus, unterhalten uns noch auf ein Getränk vor dem Club mit unseren FreundInnen, Daniel, Dani, Sandrine, Anne, Maik, Jan, jetzt hab ich bestimmt wieder jemanden vergessen, verabschieden uns dann von Lex (der als eingemieteter Veranstalter auch wirklich nichts für den ganzen Ärger konnte, das möchte ich nochmal betonen), und fahren, durch Kumpel Patte um einen Mitstreiter verstärkt, als rollender Partybus gen Bielefeld, im sicheren freudvollen Wissen, dass wir wirklich ein ganz traumhaftes Publikum haben und unsere Konzerte immer noch Magie entfalten können. Heute hat uns das Düsseldorf wieder vor Augen geführt. Schon wieder. Was für eine Bank. Vielen, vielen Dank.