Und da wären wir also wieder: 8:30 Uhr, Stuttgart, Buslounge. Tobi sitzt bereits am Rechner, Mark wechselt zwischen Blick aufs Handy und in die morgendliche Leere, Bernd meditiert nach der langen Fahrt, ich bemühe mich, irgendwas Erzählenswertes in die Tastatur zu kloppen. Arme Tastatur. Wir spielen heute im Club Cann, ein schöner Laden, in dem ich bereits zweimal war, einmal mit UKB als Support für das Pack, einmal solo als Rahmenprogramm für die Liedermacherliga. Immer schön hier. Im Wizemann bemächtigte sich ja stets ein bisschen der Hauch institutioneller Anonymität, hier menschelt es viel mehr, Darko, unser Veranstalter, ist mir vom Adriakustikfestival bestens bekannt und ein toller Typ, auch sein Compadre Gedeon und überhaupt das gesamte Team äußerst zuvorkommend und sympathisch. Da kehrt man doch gerne ein. Der vegane Fleischsalat ist fantastisch und wer sich jetzt wieder über die zuordnende Verbindung von „Fleisch“ und „vegan“ aufregt, soll bitte endlich die Klappe halten und von mir aus Didi gucken gehen. Danke.
Jan macht heute einen Off-Tag, darum laufe ich diesmal alleine durch die Stuttgarter Parkanlage, über die Cannstatter Wasen, hier wird gerade aufgebaut und ich werde von einem LKW verfolgt, was in mir Stephen King-Assoziationen weckt. Ich sollte demnächst mal wieder was anderes lesen.
Der Park führt über Brücken auf einen Berg, aber niemand kann mir verraten, wie dieser Berg heißt, alle zucken bloß mit den Schultern und wollen wieder schnell weg von mir. Na gut, Stuttgart, dann bleibt’s eben dein Geheimnis. Ich hab auch Geheimnisse, die verrate ich dir dafür jetzt auch nicht. Zum Beispiel, dass nachmittags plötzlich ein Monstershörer (auch ein Tobi, aber nicht unser Merchmonster) mit einem Geschenk für mich am Bus steht. Ich hatte nämlich unlängst im Netz nach einer bestimmten Platte gefragt, und die hält er nun in den Händen für mich bereit, um mir eine Freude zu machen. Wie sehr mich das freut und warum, auch um welche Platte es sich handelt, könnt ihr auf meiner Facebookseite (fb.com/derflottetotte) nachlesen. Da schreib ich diese Story ausführlich rein, weil ich so gerührt bin, und den Rest des Tages hüpfe ich gut gelaunt durch die Gegend.
Der Club wird heute sehr gut besucht, und das freut uns natürlich, denn Zuspruch gehört auch zu den Sachen, die man selten über hat. Wir müssen aus uns unbekannten Gründen einen recht strikten Zeitplan einhalten, was wir nur hinbekommen, indem wir ein paar Minuten früher beginnen und die Pause um ein paar Minuten kürzen, schließlich sollen keine Lieder vom Zeitkorsett weggeschnürt werden.
Um fünf vor Acht stürmen wir auf die Bühne und sitzreiten von da an durch eine wahre Tour de Force, was immer das auch heißen mag. Wir sind alle enorm energiegeladen, und auch da weiß ich nicht, woher das kommt, aber der Tag hat uns anscheinend einfach gut versorgt. Vitamin B3 kam vielleicht noch dazu, jedenfalls springen wir leichtfüßig von Themen zu Liedern, tauschen uns mit dem Publikum aus und lachen sehr viel, bevor es wieder in die nächste Runde Powerchords geht. Ganz kurz bin ich mal genervt, weil ein paar Kollegen während meines Songs lauthals quasseln, aber das schreibe ich mal deren Übermut zu, und darum wische ich den Ärger rasch wieder weg, denn das Wesentliche ist schließlich das Publikum, und das ist heute wieder ganz famos. Die Angtennen zwischen Bühne und Saal sind offensichtlich voll ausgefahren, denn jede Stimmungsverlagerung wird komplett von beiden Seiten mitgetragen, die Balladen betören, die Hymnen hallen aus hunderten Mündern wider, der Pogo wirkt in seinem Chaos beinahe choreographiert, es ist ein echter Rausch des Wohlgefühls, die Party ist freudig aber nicht versoffen.
Wir erfahren, dass der Anteil StuttgarterInnen ziemlich gering ist, darum ist es vermutlich etwas irreführend, von Stuttgart als totaler Monstersbastion zu sprechen, aber wir zählen jetzt mal großmütig das Umland zur Stadt und dann passt das sicher wieder. Wir werden mit standing Ovations verabschiedet und sind wirklich bewegt vom Abend und eigentlich auch allem, was uns so an Gutem in den letzten Tagen widerfährt.
Wir treffen im Anschluss noch ein paar Bekannte, aber wie das so ist auf Nightlinertouren, schon bald läutet die Glocke und wir müssen Abschied nehmen, vom Club und den tollen Leuten, die darin werkeln. Vielen Dank euch allen, auf hoffentlich bald wieder. Der Bus hebt ab in neue Sphären. Darko hat uns für den Weg noch wunderbare Schnitten geschmiert, über denen und Chips sitze ich jetzt zusammen mit 98% des Monstertrosses, Jan macht den DJ und legt magische Klänge auf, Bernd lässt unser Raumschiff elegant durch den Nachtwind gleiten und wir quatschen noch ein bisschen, während im Fade Out Modus eines perfekten Popsongs einer nach dem anderen in die Koje entschwindet und sich die Lounge im ewigen Refrain des Tourlebens leert. Eine gute Melodie, manchmal etwas atonal, aber in einem Rhythmus, der nach vorne strebt.