von: Totte

Das war eine kurze Nacht. Hamburg klopft von innen an die Hirnschale und rüttelt an der Traumtür.

Na gut, geh ich halt joggen. Es ist noch restneblig, aber die Sonne bricht bereits durch und verspricht einen verfrühten Sommer. Lasst uns übers Wetter reden, andererseits ach nö. Ich grüße die Entchen und verdränge den Abend, außerdem gibt es viel zu tun. Nach dem Lauf einen schnellen Kaffee, dann Großeinkauf für den 02.05., bevor ich zur Bahn hotte, um mit und bei Labörnski seinen Mittelstandswagen mit dem gesamten Monsterstourgeraffel des letzten Monats zu füllen. Das klappt tetrismäßig punktgenau, allerdings klappt der Lampenständer ein und es ist fraglich, ob er sich davon je wieder erholen wird.

Am LOGO warten bereits Rüdi, Fred und Claudio und helfen uns, den Krempel ins LOGO zu verladen, Claudio müht sich zudem mit unserer Lampe ab, anscheinend, jedenfalls bis zur Berichterstattung, erfolglos. Trauertag, gottverdammter. Nichts bleibt für die Ewigkeit.

Schön aber, dass just Fabi eintrifft, der heute und morgen den Merchtisch betreut. Wie immer agil, fidel und voller Ideen. Ich gehe Sekt fürs Publikum einkaufen, stehe an der Rewekasse, bemerke, dass ich mein Portemonnaie vergessen hab und komme so zum Genuss eines Gratis-Sprints am Nachmittag. Im LOGO sind inzwischen auch Pensen und Gomez, der Clubcharmeur eingetroffen und alles ist geschäftig. Claudio klärt bereits was mit Musik, und irgendwelche Geigenpopsongs plärren den gesamten Club dicht. Ich muss eine Schreibpause machen und flüchte ins Freie. Bis später. Labörnski rauscht rein, Burger stand stundenlang im Stau, ist aber jetzt auch da. Wir sind komplett.

Der Soundcheck ist heute irgendwie ziemlich wirr, bei mir müssen wieder Kabel gewechselt werden, weil sich alles weigert, und auch ansonsten pfeift und piepst alles. Irgendwie wurmig, der ganze Ablauf. Immerhin Fred ist bestens drauf und heimwerkert mit Gomez irgendwelche Schränkchen fürs LOGO zusammen. Danach sitzen wir zu viert über Rüdis Gitarre, um mittels Messern und Schraubenziehern das Batteriefach aus dem Tonabnehmer gefriemelt zu bekommen. Die Uhr tickt und der Einlass rückt näher. Die Sektflaschen, die wir traditionell den wartenden GästInnen vor die Tür bringen, werden freundlich, doch auch eher beiläufig wahrgenommen, ein komischer Tag ist das heute. Ich bin gespannt, ob sich diese Stimmung in den Abend tragen wird.

Bis zur Show wird’s aber bereits fideler, KT Klue besucht uns, ebenso Superfotograf Fox/Alex samt Supercrew, unsere Themen drehen sich um Schranzkonzepte (Schranz im Glück, Schranz Dampf in allen Gassen etc.), auch Marc und Benny von „Dein Topf e. V. Sind bereits vor Ort und bauen ihren Stand auf. „Dein Topf e. V.“ ist ein Verein für Obdachlosenhilfe, und so wichtig wie ehrenwert. Support sehr erwünscht.

Um 20:05 Uhr starten wir das Konzert. Wir werden mit frenetischen Chören besungen, ganz ohne Quatsch, wir erleben ja immer wieder überraschende Euphorien, aber was heute hier passiert, lässt uns offenmündig staunen. Selten haben wir so eine Klangwand erlebt, unglaublich textsicher, freudvoll und lauthals singen alle mit, und zwar einen Sehrgroßteil der Songs des Abends, auch neuere Stücke. Es ist ein wirklicher Rockabend, in einem bunten Dampfkessel der Liebe.

Natürlich sind viele alte FreundInnen und WeggefährtInnen da, und das ist immer ein bißchen wie wo der eigenen Familie spielen, man ist etwas nervöser, aber eigentlich weiß man ja, dass einem niemand böse ist, wenn mal was nicht klappt, und so nervös, wie man ist, so stolz ist man auch, auf sich, auf sie, auf das, was man hieran hat. Wir machen allerdings eigentlich auch gar nicht so viele Fehler heute, sondern spielen ziemlich tight und energiegeladen, und gehen gelöst in die Pause. Claudio berichtet, dass der Seegang im Raum bereits recht hoch ist, sein Platz am Pult im hinteren Raumbereich bietet diesbezüglich immer einen ganz guten Überblick darüber, und nachdem ich den Zustand der Herrentoiletten gesehen habe, muss ich auch erstmal schlucken, denn das wirkt auf mich eher nach Ergebnissen einer Ballermannparty, und das ist mir doch etwas unangenehm fremdschamerfüllend. Ich bin ein Schamprofi, meistens schäme ich mich für mich selbst oder fleischessende Faschos, zudem bin ich, was den hedonistischen Lifestyle betrifft, wirklich kein Unschuldslamm und habe schon so einiges gemacht, was mir auch langfristig die Seele sengt, aber trotzdem bin ich zu Beginn der zweiten Halbzeit stimmungsmäßig etwas verhalten, weil ich leise Befürchtungen habe, dass der Abend womöglich in eine zu krakeelige Richtung driften könnte.

Zum Glück täusche ich mich da total, zwar gibt es natürlich hin und wieder ein paar Zwischenrufe, aber die sind weit entfernt davon, unangenehm zu sein, im Gegenteil, die Mitmachfrequenz wird sogar noch konzentrierter und beinahe rauschhaft rasend fliegt der Auftritt an mir vorbei. Rolf, ich nenne ihn versehentlich Wolf, macht heute das Licht, und zwar enorm gut, und der Sound ballert dazu, und die Menschen werfen Konfetti, pogen und klatschen, mal gemeinsam im Rhythmus, mal jeder im eigenen Takt, es ist ein wundervolles Knallbonbon von einer Party, die wir auch noch eine ganze Weile im Anschluss an das Konzert weiterfeiern, mit lieben Menschen und FreundInnen am Tresen, im Backstage, davor, überall. Trotzdem geben wir auch ein wenig auf uns acht und lassen es nicht bis ultimo krachen, denn zwei Konzerte haben wir noch vor uns, und der Nachteil an einem derart schönen Auftakt ist, dass man jetzt eine Messlatte hat. Wir werden natürlich versuchen, sie zu erreichen oder zu toppen, aber jetzt im Augenblick weiß ich nicht, wie wir das hinbekommen sollen. Aber wir werden sehen. Nach dem Spiel ist vor dem Spiel, entscheidend ist auf dem Platz und die Discokugel ist rund.