von: Totte

Mein Wecker klingelt um 5:30 Uhr, aber die Bahn-App war schneller: Die von uns Monsters gebuchte Verbindung fällt aus. Es ist immer zauberhaft und ich freue mich drauf, wenn die Linke endlich die Wahlen gewinnt und den Drecksladen verstaatlicht. Abgesehen davon, dass ich das auch in den meisten anderen Belangen hoffe, fällt mir eine andere Lösung des Problems sowieso nicht ein, jedenfalls, solange das Beamen nicht erfunden wird. Wir sind also alle total gut gelaunt, können das nur leider dem sehr herzlichen Herren, der uns pünktlich mit dem Bus abholt uns souverän nach Schweinfurt kutschiert, noch nicht so zeigen, denn die Nacht war sehr kurz und ein bevorstehender Tag in der Bahn ist nur bedingt ein Stimmungsaufheller. Aber er sei an dieser Stelle vielmals bedankt. Wir bekommen den ersten Zug unserer über sechsstündigen Fahrt und die Bahn-App hält eine weitere Überraschung für uns parat: Es gibt ab Würzburg einen Ersatzzug, zwar nur in halber Größe und darum hoffnungslos überfüllt, aber im Zeitplan. Hossa. Fred schafft gar noch eine Zigarette beim Umstieg, und dass wir alle dann noch Sitzplätze finden, kann nur bedeuten, dass wir entweder gut Karmapunkte gesammelt haben oder das dicke Ende noch kommt. Mein Naturell sagt mir, es wird eher letzteres sein. Unterwegs verliert Fred sein Handy, findet es wieder und erreicht rechtzeitig den nächsten Zug, schafft es aber während der sechs Stunden Fahrt nicht, an einen Kaffee zu kommen. Im letzten Zug sitzen wir dann mit einer Horde Junggesellenabschiedsjungs zusammen, was uns doch dazu bringt, unsere Trinksongs etwas neu zu bewerten. Tatsächlich aber kommen wir bis zum Ziel durch und laufen pünktlich in Wittmund ein. Ein Wahnsinn, das alles.

Am Bahnhof steht bereits der grandiose Dan als unser liebevoller Superfahrer des Tages bereit, und er kutschiert uns kompetent zunächst zum Festivalgelände, wo wir von Anna und ihrem Team herzlich empfangen werden, allerdings sind wir aufgrund unserer geplanten Bahnpufferzeit derart früh, dass natürlich noch alle fleißig rumameisen müssen, doch auch da gibt es Rat und Hilfe, und wir werden erst zu einer Pizzeria und hernach in unsere Herberge, einer tollen Jugendherberge kutschiert, wo wir satt und selig schlummern, fernsehen und was weiß ich machen. Dann leider die erste schlechte Nachricht: Burger ruft durch, er schafft es wider Erwarten nicht, zu uns zu stoßen und ist untröstlich. Also heute wieder eine Fünferrutsche.

Zurück auf dem Festival zieht es uns alle in unterschiedliche Richtungen, um das Gelände zu erkunden. Es ist schon viel los, das Wetter spielt mit und auf einer der zwei Bühnen rocken bravourös die Band „Yara“ eine spannende Mischung aus Rock, Wave und Wanda, und besonders exquisit Bassist und Drummerin Giovanni und Lisa, so wird es mir von einem Vögelchen zugetragen. Nach der Show esse ich hervorragenden Blumenkohl mit Veggieschnitzeln und Rosmarinkartoffeln und schließe die eintreffenden Freunde von Le Fly in die Arme, bevor ich mich zu Rüdi geselle, um „Bruchbude“ zu feiern, die den Laden just gehörig abreißen und einen absoluten Tageshöhepunkt darstellen. Wir haben uns dieses Jahr auf einem Straßenfest gegen Rassismus in Vechta kennengelernt und ihre Songs versprühen enorm viel Freude und Power, mal ganz davon abgesehen, dass es auch sehr sympathische Kollegen sind. Einziger Nachteil: Nach ihnen zu spielen ist nicht leicht, denn nach ihren Auftritten kann man eigentlich nur schwach dastehen. Aber heute ist das glücklicherweise der Job des Blersumer Posaunenchors, und jener ist hier der traditionelle Star des Festivals, Headlinerchöre und frenetischer Jubel schallt über das gesamte Gelände, während sie freudvoll diverse Hits blechbläsern.

Hinter der Bühne wird es indes hektisch, denn es fehlen DI-Boxen für unseren Auftritt, irgendwas ist bei der Übermittlung im Vorfeld schiefgelaufen, und Adrian, der Techniker des Festivals muss ganz schön rödeln, um alles zusammenzusuchen. Wir disponieren inzwischen zur Sicherheit ein bisschen um, wie wir unser Equipment zur Not minimieren können, falls Adrian keinen Erfolg hat. Auf den letzten Drücker klappt es aber, und wir hüpfen nach dem Posaunenchor schnell auf die Bühne, denn aufgrund vieler Faktoren ist der Zeitplan schon arg in Mitleidenschaft gezogen worden und alles hinkt sehr hinterher. Jetzt geht’s leider bergab, soviel will ich schon mal spoilern. Unser Soundcheck beginnt eigentlich ganz schmuck, wir scherzen mit dem Publikum, um den Soundcheck kurzweiliger zu gestalten, doch sowohl meine als auch Rüdis Gitarre wollen einfach nicht funktionieren und nun wird’s langatmig. Es wird hin und hergestöppselt und ausprobiert, Ratlosigkeit entsteht und uns geht darüber auch die Luft aus und alles zerfasert, worunter natürlich auch die Aufmerksamkeit des Publikums leidet. Das Chaos ist nicht mehr entertainend, sondern nur noch kontraproduktiv, und wir bekommen das als Band nicht mehr aufgefangen. Irgendwann funktioniert zumindest meine Gitarre, und ich schlage vor, dass Rüdi und ich kurzerhand die Plätze tauschen, damit er sich mit Pensen dessen Gitarre teilen kann, denn wir eiern inzwischen schon bestimmt 15 Minuten rum, aber keiner hört mir zu. Nach fünf weiteren erfolglosen Minuten hat dann irgendwer die geniale Idee, dass Rüdi und ich die Plätze tauschen könnten, damit er sich mit Pensen dessen Gitarre teilen kann. Uff.

Also los jetzt: Einmonstern und schnell loslegen. Über das Konzert selbst gibt es bandintern verschiedene Meinungen. Rüdi hält es beispielsweise für besser als den Auftritt vom Vortag, ich dagegen für einen der schlechtesten Auftritte unserer Bio. Die Wahrheit liegt hoffentlich irgendwo dazwischen. Ich habe über die ganze Strecke das Gefühl, dass wir die Verbindung zum Publikum nicht mehr hergestellt bekommen und trau mich kaum, den Platz genauer in Augenschein zu nehmen. Meistens ist es bei uns so, dass wir in widrigen Situationen bandenergetisch umso enger zusammenrücken, aber heute klappt das nicht. Unsere Ansagen sind kraftlos und statt elegant zu tänzeln, taumeln wir eher von Song zu Song. Irgendwann kommt dann zudem noch plötzlich die Ansage über die Monitore, dass wir langsam mal zum Ende kommen sollten, was aufgrund der zeitlichen Verzögerungen natürlich absolut nachvollziehbar, so ohne Vorwarnung oder Absprache trotzdem ziemlich überraschend und der Moral wenig zuträglich ist. Wir müssen also im Eilverfahren ein paar Songs (darunter auch Frösche, was uns sehr leid tut, Dan, wir spielen es aber beim nächsten Mal für dich, Ehrenwort) streichen und holpern dann zum Finale. Ich bin ziemlich surprised, dass wir nach der Nummer zur Verabschiedung laute Zugabenforderungen ernten und uns wärmt das auch sehr die Herzen. Tja, das Leben ist kein Dauergewinnspiel und auch die Monsterstory ist keine Erfolgsgeschichte ohne Tiefen, heute haben wir jedenfalls nicht brilliert. Das schmerzt natürklich und kratzt am Ego, aber Krönchen richten, Staub abklopfen, und verheißungsvoll der Zukunft zuprosten ist die Devise. Nun aber erstmal ab vor die Bühne und zusammen mit lieben Leuten wie z. B. Julia und Ulli zu Le Fly durchdrehen. Die inzwischen wahrscheinlich bereits global berühmte Festivalfee Ulli hat tatsächlich wieder Nussecken gebacken und Liköre für gemixt, die wir dankbar mit der ersten Reihe teilen, während wir in der wogenden Masse zur St. Pauli Tanzmusik schwofen. Danach sind wir aber völlig erledigt, der Tag war lang und bei aller Schönheit auch anstrengend, also gibt es heute statt langer Aftershowparty kurze aber gepflegte Konversationen mit ausnahmslos guten Menschen von der Festivalcrew und anderen Bands, bevor wir zurück zur Herberge chauffiert werden, wo wir uns nach einem letzten gemeinsamen Drink in unsere Betten verabschieden. Rüdi und ich sind darin allerdings diesmal total erfolglos, denn wir sitzen noch in harmonischer Eintracht in der nächtlichen Ruhe Ostfrieslands, als zunächst die Damen und Herren von „Rowli“ eintreffen und sich auf eine letzte Zigarette zu uns setzen, und gerade, als sich auch diese Runde aufzulösen im Begriff ist, trudeln Le Fly ein, und Schmiddl und Robert sind in Feierlaune. Plötzlich rappen Cypress Hill aus den Boxen, die Stimmungskurve steigt steil nach oben und weil wir zu dieser illustren Runde gerne auch was beitragen möchten, holen Rüdi und ich Ullis Likörflaschen, was allgemein große Begeisterung auslöst. Plötzlich geht die Sonne auf, und ich kann mich nur mit Not losreißen, um zumindest noch zwei Stunden Schlaf einzusacken. Rüdi, Robert und Schmiddl hingegen haben inzwischen die der Herberge zugehörige Minigolfanlage entdeckt und machen sich erfolgreich auf die Suche nach Schlägern und Bällen. Diese jungen Leute, unglaublich, was für eine Energie.

Fertig, kraftlos aber versöhnt und selig krabbel ich in mein Hochbett und schließe die Augen. Dann klingelt der Wecker…

Liebes Festivalteam, liebe KünstlerInnen, liebe Hörerschaft, liebes Ostfriesland: Es war wirklich ganz bezaubernd und reizend bei und mit euch und wir danken euch allen sehr. Und wir versprechen, dass wir beim nächsten Mal wieder komplett und voller Elan und Power auftrumpfen werden, und so beeindruckend für euch glänzen werden, dass alle Augen ekstatisch strahlen und die Ohren betört glühen werden. Auf bald in Love, eure Monsters: