I feel grippal. Nur leicht zum Glück, aber doch so, dass mir die Vorstellung, heute aufstehen und unter Menschen zu müssen, ziemlich stimmungsverdunkelnd wirkt. Ich will begraben unter unseren Katzen auf der Couch kompostieren und TV ohne Tiefen vorbeiziehen sehen.
Aber es gilt hier wie überall: Business first. Also raus auf die Straße, wo perfekt getimed Kollege Mühli mit Gattin Dana und Rüdi hält, um mich einzusacken, denn er ist ein toller Mensch, der uns aus reiner Freundlichkeit nach Braunschweig kutschiert.
Wir fahren aufgrund diverser Sperrungen hauptsächlich über Landstraßen, und Mühle kann einiges über die Gegend erzählen, von seltsamen Brücken über Elsterglanzdomizile, Wissenswertes über Sachsen-Anhalt. Und – wusch – da sind wir schon in Braunschweig, fallen unsweren ebenfalls gerade ankommenden Kollegen in die Arme und bestaunen das Gelände. Soelve ist heute auch dabei, was der ganzen Teamsache einen Riesenauftrieb gibt. Die Stunden vergehen mit Brötchen, Getränken, Gequatsche und Geklampfe, allein der Soundcheck lässt etwas auf sich warten. Aber die Sonne scheint und alle wirken sehr sorglos, und wenn ich nicht so müde und angeklatscht wäre, wäre ich sicher auch aktiver. So kralle ich mich an meine Wasserflasche und versuche, nicht total abwesend zu wirken.
Das Freundschaftsbühnenteam um Andi, Julian, Mario und Co ist superfreundlich und da wird schon tollstes Essen aufgefahren, aber irgendwie ist die Bühne immer noch nicht ready für den Soundcheck. Doch die Band bleibt sommerlich quietschvergnügt. Nice. Burgers Lagerfeuerotzkollege Michi kommt vorbei und erntet ein großes Hallo, aufregenderes ist leider nicht passiert, so gerne ich jetzt auch was spannenderes erzählen würde.
Eine Stunde vor Einlass wird’s doch rasant: Soundcheck, Essen, Yaddayadda, um’s mit Seinfeld zu sagen. Apropos: Seinfelds „Yaddayadda“ brachte es bis zu einem Eminem-Song, und das sollte reichen, es nicht mehr erklären zu müssen. Überhaupt: Seinfeld, Eminem, es gibt so viele gute Gegenpole gegen den Haufen Nazischeiße, der derzeit die Welt bestinkt. Follow the Rosenduft.
Das Essen ist grandios und deshalb auch gefährlich, denn mit genudelten Bäuchen rockt es sich schlecht. Wir üben darum kollektiv Zurückhaltung und springen Punkt 19 Uhr wie fidelste Rehkitzlein auf die Bühne.
Der Platz vor uns ist sonnenbeschienen und voll mit besten Menschen. Sie sitzen in Gruppen um Tische, genießen Snacks und Drinks, empfangen uns aber trotz mundvoll mit herrlichst familiärer Euphorie.
Wir tanken diese Power und legen herzhaft los.
Es rockt enorm.
Leider setzt Rüdis Gitarre zu seinem Einsatz aus, und auch im weiteren Verlauf der ersten Halbzeit wird sich das, trotz Kabelgewechsel und Co, nicht mehr ändern.
Es entsteht zudem eine unangenehm lange Pause, doch glücklicherweise füllt Fred sie mit spontanen Erzählungen über seinen Kappenkauf bei Kaufland. Dadurch entsteht ein Bühnendiskurs über Werbung, in dessen Verlauf sich Pensen als Aldigesteuert und ich mich aus Mitmachnot als Wolters Pils-gsponsort zu erkennen geben. The wild ways of Kapitalismus.
Es wird ein supersüßer Ritt durch die erste Hälfte des Konzerts, spontan besingen wir den fleißigen Fotografen Sven und schunkeln uns familiär liebevoll in die Pause.
In der Pause selbst meint Soelve auf meine Frage nach der qualitativen Einstufung des Konzerts freundlich besonnen, er hätte schon Schlimmeres gesehen, und das gibt mir in alle Richtungen zu denken.
Die zweite Hälfte wird womöglich darum kompakter und knackiger. Nichtsdestotrotz quasseln und juxen wir, doch das Hauptaugenmerk liegt nun wieder mehr auf den Songs. Börnski springt lachsgleich zu Boden, Pensen klampft dazu hymnisch, Burgers Saite reißt, trotzdem spielt er Frösche spontan, Rüdi glänzt magisch mit „Mathe“ und „Alles für mich“. Fred ist Superentertainer und überhaupt, es groovt und mündet in gemeinschaftlicher Euphorie. Ich selbst bin daneben und sehe allem zu. Begeistert, aber fremdelnd. Mich lenkt urplötzlich nur noch der Wunsch, meine Songs zu zerstören, ich vertraue ihnen nicht mehr und fühle mich fehl am Platz.
Aber das Gute an den Monsters ist, dass es immer ein Gegengewicht gibt, und das sorgt dafür, dass der Abend wahnsinnig energetisch, liebevoll und kraftreich zum Ende kommt. Standing Ovations und das Gefühl des gegenseitigen Verständnisses füllen unsere Seelen, und nur der Nudelauflauf im Backstage kann da mithalten.
Wir treffen nach dem Konzert FreundInnen wie Sandrine, Mühle und die Bortfelder, Bescuherin Simone bringt meine Augen zum Glänzen, indem sie freundlichst und treffend unsere Richtigkeit des Daseins formuliert, und der Restabend versinkt in Weinschorle und Wohlbefinden. Das Hotel ist fresh und hip, darum müssen wir unsere Eincheckung selbst durchführen, die Hotelflure ähneln denen von Kubricks „Shining“ zum Verwechseln, kein Wunder, dass da Zwillinge seilhüpfen, und was die Toiletten betrifft, sind wir uneins, ob deren Design ultrasexistisch oder eben genau das Gegenteil sind.
Rüdi und ich bleiben als letzte Gäste noch etwas an der Hotelbar kleben, denn wir spüren etwas vom alten Geist, und alte Geister sind über Vernunft erhaben. Andererseits ist es auch halb so wild, denn die Crew des Hotels ist mit menschlichem Kontakt komplett überfordert, weshalb sie nur im Notfall Bestellungen aufnehmen.
Egal, wir sind voller Love, und so soll dieser Bericht auch enden. Alles andere wäre unverfroren.
Braunschweig, du bist ein Rubin im Smaragdwald Deutschlands, und solange du so bleibst, wie wir dich kennen, bleibt unser Zukunftsblick hoffnungsvoll. Wir hofknicksen uns dankbar und vorfreudig auf unser nächstes Stelldichein nun von der Bildfläche des Sommers. Hashtagliebe.