Ihr werdet es nicht glauben, liebe StammleserInnen, aber folgendes ist heute morgen passiert:
Ich bin aufgewacht, iin den Club gegangen und hab den Tourbericht geschrieben. Wow, aufregend, dieses Leben in festen Gezeiten. Hernach joggten Jan und ich durch wunderschöne Täler über sanfte Bochumer Hügel und waren einhellig der Meinung, dass das Ruhrgebiet ganz und gar nicht mehr dem Siebzigerjahreklischee einer trostlosen Ruß-Landschaft entspricht. Außerdem erinnern wir uns an unseren letzten Aufenthalt in der Zeche, es war zum Tourstart, und wir beide hatten erst die Nacht auf der Hinfahrt durchgetrunken, sind dann aber dennoch joggen getaumelt. Sehr lange waren wir unterwegs, juchzend und kichernd und sicher nur fünf Fußminuten vom Bus entfernt, aber das anderthalb Stunden lang. Diesmal sind wir, getreu unserem gestern neu ausgerufenen Motto „Leicht und frei und richtig cool“.
Zurück im Club treffen wir neben unseren Kollegen vor allem auch Veranstalter Lex und das unglaublich nette Team der Zeche, darunter Susi, die nicht freundlicherweise nur unsere „Federwisch“-Schürze trägt, sondern auch ein Essen gezaubert hat, dass uns das Wasser im Munde überläuft. Brötchen, Kartoffeln, Weinblatttaschen (sorry, Fachbegriff vergessen) in Tomatengemüsesoße, Kuchen, Croissants, undundund, Ich habe nicht die geringste Ahnung, ob wir dieses tolle Catering heute und die letzten Tage wirklich verdient haben, oder es das wirklich immer gibt oder ob das alles irgendein Paralleluniversum ohne Merz und Spahn und deren Gedankengut ist.
Ich schaffe vor Energieschub glatt zwei Seiten Lektüre, bevor ich mich nochmal kurz zurückziehe, aber Rüdi, Jan und ich machen auch einen kleinen Spaziergang, und überhaupt, der Tag changiert zwischen blau und grau, duftet aber dauerhaft nach Köstlichkeiten.
Der Soundcheck ist etwas chaotisch, weil alle durcheinander reden, aber trotzdem klingts alsbald glockenzart und das Bühnenlicht glimmt gemütlich.
Danach gehen wieder alle eigene Wege, Jan und Rüdi holen Patte irgendwo ab, Fred sucht Ecken, in denen er noch nicht geraucht hat, Claudio bearbeitet seinen neuesten Podcast, und so weiter, und so fort. Ich breche nun zum Beispiel diesen Bericht ab, um im Saal ein Foto von mir zu knipsen, auf dem ich so tun werde, als schriebe ich den Tourbericht. Die Realität ist nur ein Angebot. Bis später, ihr Lieben.
Auch das Abendessen ist ein Gedicht, aber tapfer halte ich mich schnell davon fern, um der Versuchung der Selbstmast widerstehen zu können. Stattdessen verziehe ich mich in die Koje, denn inzwischen graupelts leicht und der Himmel ist zu düster für sonnige Gedanken. In der Buslounge unterhalten sich Rüdi und Börnski und geben damit das beste Hintergrundgesumms, um gehaltvoll zu dösen, was ich durchaus lobend verstanden wissen möchte.
Wir fangen heute pünktlich an, denn sonntags steht den meisten schon der Montag bevor.
Allerdings scheint Bochum, bzw. der Ruhrpott, der sich äußerst zahlreich eingefunden hat, den Wochenstart sehr gut verdrängen zu können, denn sie sind schon bei den ersten Takten voll dabei, schunkeln, tanzen, singen und lachen. Wir erzählen viel Quatsch auf der Bühne. Aber nicht zu viel, dann kommt das nächste Lied, wir erfinden aus gegebenem Anlass ein „Sonntag ist kein Punkrocktag“-Lied, kurz vor der Pause tanzen auf einmal zwei kostümierte Zwerge namens Pascal und Toni auf der Bühne mit, es ist eine sehr lustige kurzweilige erste Hälfte, ein bisschen verpeilt aber voller Herzlichkeit und leuchtender Momente.
In der zweiten Hälfte funktioniert der Fluss leider zunächst nicht mehr so gut, Rüdi ist, so stellt sich nachher raus, etwas dehydriert und findet darum in seine geplanten Songs nicht so recht rein, und wir anderen können das in dem Augenblick auch nicht richtig kompensieren. Sowas verunsichert natürlich auch das Publikum, und wir verlieren dadurch ein wenig die Fäden aus der Hand, so dass alles für ein paar Augenblicke auseinanderdriftet. Aber immerhin gibt es dafür heute ausweichend zu den schnelleren Songs sehr schöne Ausnahmeballaden von Rüdi, und spätestens zur Endrutsche sind wir auch alle wieder voll in der Spur. Und da Bochum uns schon so lange kennt, nehmen sie uns nichts krumm, sondern feiern zu den Zugaben euphorisch wie zur Saturday Night. Auch heute Standing Ovations, die wir sicher nicht so ganz verdient haben, aber sehr dankbar und mir heißen Herzen entgegennehmen. Und beim nächsten Mal sind wir wieder voll da, und auch wieder komplett mit Pensen, und ab dafür, und wenn wir dafür im Vorfeld ein Schwimmbecken leertrinken müssen, versprochen. Wir führen noch sehr schöne Unterhaltungen am Merchstand, in diesem Zuge liebe Grüße an Ruth und Armin, außerdem an Emily, wir hoffen, die Tasse gefällt dir, dann wird es auch Zeit, wenigstens kurz mal langjährige FreundInnen des Hauses in die Arme zu schließen, denn heute muss alles recht schnell gehen, da Bernd strikte Busfahrzeiten einhalten muss, gleichzeitig aber auch Glatteis angekündigt wurde. So gibt’s nach Aftershowparty nur noch eine kleine Runde in der Buslounge, aber auch die eher sonntaglich statt glamourös. Ein Rotwein und drei Brötchen, zumindest, was mich betrifft. In der Nacht werde ich davon träumen, wie mich eine Monstersemmel jagt, weil ich Pombär nicht mehr spielen konnte, und dass sollte genug über mich verraten.
Bochum, das war ein wilder, chaotischer Abend voller gegenseitiger Liebe. Grönemeyer hat schon recht. Wir hofknicksen dankbar und freuen uns schon auf ein baldiges Wiedersehen. Fühlt euch gekost.