Mein Kumpel Christian und ich irren durch Kölns Nacht, weil wir irgendeinen Zug erwischen müssen, sonst droht Unheil. Wir sind aber einfach nicht in der Lage, dass verflixte Gleis zu finden. Plötzlich bin ich alleine, orientierungslos und darum auch gar nicht bös, als ein Ruckeln und Zuckeln mich in die Welt zurück reißt, die zwar auch alles andere als rosig ist, in der ich aber immerhin für den Augenblick etwas weniger gefordert bin.
Ich muss nur den Tourbericht des gestrigen Tages schreiben und darf dann schon kurzweilig mit Tobi und Urs quatschen, bevor sich nach Bernd nach auch die Kollegen aus den Kojen schälen und Turbineteammember Marcel uns und unsere Merchandisekisten mit dem Sprinter abholt. Ich spaziere derweil bereits ins fußläufig erreichbare und malerisch gelegene Rocknpopmuseum, in dessen integrierter Turbine wir heute auftreten dürfen. Das Museum ist irre und beeindruckend, und das Team, neben erwähntem Marcel sind das Johannes für Technik und Licht und für die Künstlerbetreuung Channy, äußerst herzlich und umtriebig und sie umsorgen uns absolut zauberhaft. So dürfen einige Monsters sogar außerplanmäßige Museumsführungen genießen, von denen sie beeindruckt zurückkehren, Ich indes bin etwas rastlos, nachdem ich mich im Gronauer Umland anderthalb Stunden verjoggt habe, verschanze ich mich bei Hummusbrötchen hinterm Buch, bis ich endlich weiß, wie’s ausgeht, dann laufe ich zwecks Nachschub in die Stadt, finde aber keinen Buchladen und muss mit der Auswahl eines kleinen Büchertischchen einer Papeterie vorlieb nehmen, um zumindest bis morgen wieder mit Stoff versorgt zu sein. Auf dem Rückweg lauf ich an der Skulptur der „lesenden Frau“ vorbei, bitte sie um ein Selfie und neide ihr insgeheim ihren Wälzer.
Im Tagesverlauf treffe ich immer wieder andere Monster, Bernd beim Büffet, Labörnski, der ebenfalls joggen war und jetzt Logistikkunststücke für irgendein Merchgerätetransport zaubern muss, undsoweiter. Burger ist etwas erkältet und hat sich nochmal schlafen gelegt, das mach ich auch nochmal. Inzwischen ist auch unser Albumdesignmeister Flo erfreulicherweise besuchstechnisch zu uns gestoßen, und wäre ich nicht so maulfaul, hätte ich ihm sicher wortreicher erklärt, wie sehr mich das freut, zum Glück stellen die Frische Mische-Kollegen bessere Gastgeber dar, so sieht man sie alsbald mit Sektglas in der Sonne lachen.
Der Soundcheck vergeht so schnell wie unspektakulär, spektakulär sind hingegen die ganzen Gerätschaften und Bilder, die man hier überall bestaunen kann: Mischpulte, Gitarren, Tonbandgeräte, Bilder aus den Achtzigern von den Neubauten, Hosen, Chameleons, Ärzten, im Backstage lacht uns ein junger Niedecken von der Wand an, das ist schon alles sehr toll.
Ebenfalls spektakulär das Abendessen, wovon ich aber noch nichts weiß, weil ich vor Auftritten ungern esse, und lieber nochmal ein bisschen zwischen Bus und Club hin und herflaniere, bis die Show losgeht.
Die beginnt pünktlich und in eher familiären Rahmen, immerhin ist Montag und wir sind erstmals in Gronau, aber dafür sind die Menschen von einer ausgewählten freudigen Herzlichkeit und machen mit als wäre Samstag Abend. Eine kleine Gruppe leider auch trinktechnisch, und die gehen sowohl Publikum als auch Band etwas auf die Nerven, weil sie permanent lauthals quatschen, und sowas fällt in kleineren Runden immer noch mehr auf, weil es sich nicht in der Menge versenden kann. Die anderen Menschen aber sind aufmerksam und voll dabei und besonders in der ersten Hälfte des Konzerts fliegen viele Komplimente durch die Lüfte, wir loben uns und die Menschen, die Lieder, den Frühling, alles ist super, super, super, Pogo super, Verspieler super, und gelöst und etwas albern komplimentieren wir uns bis zur Pause.
In der zweiten Hälfte hingegen spielen wir enorm tight und komprimiert, gar nicht schnell, aber sehr bündig, ich verzichte auf alle Ansagen und fühle mich eher introvertiert, aber für die Lieder ist das vielleicht auch mal ganz gut, jedenfalls spielen wir knackig unser Programm, die Menschen singen freudigst mit, und nachdem wir unser gesamtes Set hinter uns gebracht haben und uns ein letztes Mal dankbar vor dem applaudierenden Publikum verbeugen, ist es noch keine 23 Uhr. Seltsam. Andererseits haben wir auch heute wesentlich schneller in unsere Zugaben gefunden, weil wir eh nicht wussten, wo wir uns hätten verstecken sollen. Ein schöner Abend. Und besonders magisch waren heute die „engelsgleichen Hubdescheißechöre des Publikums“, ohne Ulk.
Ein schöner kurzweiliger Abend, wir unterhalten uns im Anschluss noch mit ein paar sympathischen Menschen am Merchtisch, auch natürlich mit Silke und Tina, die uns heute gerettet haben, indem sie spontan wichtige Gerätschaften von Münster aus hierher verfrachtet haben, aber montagstraditionell leert sich der Club schnell, dafür aber hat Channy tatsächlich noch Essen für uns warmgehalten und bereitgestellt, und darüber falle jetzt auch ich her. Absoluter Gaumengeiler, um’s mit Helmut Krausser zu sagen. Mit vollen Bäuchen und gewärmten Seelen verabschieden wir uns irgendwann dann doch vom Club und dem ganzen tollen Team, die glücklicherweise sogar ziemlich locker nehmen, dass ein Vertreter der bereits erwähnten Betrunkenengruppe ein Loch in ihre Wand gehauen hat, beim Versuch, sich an einen Wegweiser zu stützen, aber ich fremdschäme mich dafür sehr.
Heute gibt’s leider noch einen zweiten Abschied, Urs fährt heute heim, und das hinterlässt augenblicklich eine große Lücke in unserer Sozialplane, unter der wir es uns gemütlich gemacht haben, Abschied, Abschied allerorten.
Tobi und Burger gehen recht rasch ins Bett, aber auch wir übriggebliebenen Monsters sitzen nur noch kurz beisammen und lassen den Abend Revue passieren, während wir Laugenstangen mit Veganwurst futtern, die uns die RocknpopmuseumerInnen ebenfalls noch bereitgestellt haben.
Gronau, wir danken dir, du bist ab jetzt fest auf unserer Landkarte, und wenn wir dürfen, kommen wir alsbald wieder. Das schwören wir beim heiligen Udo.