von: Totte

Was ich völlig vergessen habe: Gestern riss mir die A-Saite und Burger trat zur Zugabe den Stecker aus der Anlage. Zum Beispiel. Und so geht das jeden Abend: Ich kann mich noch so sehr um detaillierte Schilderungen bemühen, immer rutscht was durch. Am besten ist darum, man erlebt einfach den Moment mit und kommt zu unseren Shows. Eine Win/Win-Situation fürs gelebte Leben.

Heute steht unser Bus nicht neben dem Amadeus, das wir bespielen, sondern bei der Kulturetage, wo heute Abend Heinz Strunk auftreten wird. Doch noch sind seine Toiletten unser, und ich überlege auch, Heinzer eine Nachricht dazulassen, denn bei aller Begeisterung bin ich immer noch sauer, wie dreist er sich für den „goldenen Handschuh“ bei Bukowskidialogen bedient hat. Aber ich bin einfach zu gutmütig, lasse ihm Ruhm und Ruhe und laufe stattdessen mit Jan an der Hunte lang zu einer schönen Seelandschaft, und das reicht locker, um den fidelen Energietank wieder aufzufüllen. Wir kommen pünktlich zum Busausladen, lernen Amadeus-Kjell kennen, spazieren dann zum Amadeus, begrüßen die freundliche Crew und verteilen uns wild. Duschen, Stadt angucken, Saiten kaufen, Kaffee trinken. Ein Tag wie viele und doch ohnegleichen. Im Backstage drehen sich die Gespräche um Thomas Mann (Fabi), Monitorboxen (Mark), Fotoshootings, Schlaf und Gaumenfreuden (der Rest). Wir haben heute eine Wohnung über dem Club, leider ist sie nur temporär nutzbar, weil ein übernächtigter Mitarbeiter ihrer bedarf. Weil ich davon nichts wusste, klopfe ich erbost gegen die Tür, in der irrigen Annahme, meine Kollegen hätten mich ausgeschlossen. Ein unangenehmer Faux Pas. Und alles wegen eines Ladekabels. Allerdings schläft der Herr dann doch so lange, dass es für ein paar Monsters knapp wird, was Duschen betrifft.

Ich vergesse heute irgendwie, zu essen, außer ein paar Kohlrabischeiben und Weingummi hab ich noch nichts eingenommen.

Wir machen ein kurzes Fotoshooting und checken dann den Sound, wobei Rüdi und mit Burger uneins sind, ob wir heute besonders hellhörig oder er besonders schwerhörig ist. Der Abend wirds entscheiden, aber ich bin erstmal zu hungrig, um zu diskutieren. Fabi schlägt einen veganen Pommesstand am Weihnachtsmarkt vor, ich zeige ihm den Vogel, denn ich will jetzt nicht noch ewig rumspazieren und Weihnachtsmärkte können mich mal gern haben.

Ich verlaufe mich, lande beim Weihnachtsmarkt, finde da aber nicht mal den Pommesstand, stattdessen bestelle ich verloren eine klebrige Pizza. Dabei werde ich von freundlichen BesucherInnen erkannt. Ausgerechnet beim Neppstandeinkauf. Um nicht völlig uncool zu wirken, spare ich mit der Frage, ob sie mir den Weg zum Club erklären könnten, und mache mich etwas später auf exakt den Irrweg, der mich hierhergebracht hat. Irrwege zweimal laufen kann ich genauso gut wie Stimmen doppeln, darum finde ich zurück und kann euch diese Zeilen tippen, während die Bühne gerade eingeleuchtet wird.

Nun aber rasch zur Show. Das Amadeus ist ausverkauft und unsere Bühnenstühle sind dafür unangemessen niedrig. Das merken wir aber erst, als wir die Bühne geentert haben. Oldenburg ist in Partylaune, allerdings auch wochenendlich unruhig.

In der ersten Hälfte können wir nicht so richtig abschätzen, ob das Konzert jetzt gut oder blöd ist, wir blicken überhaupt nicht durch, wann was wieso gut angenommen wird und wann es versandet. Wir werden zudem mit Gratisschnäpsen gefüttert, was unserer Stringenz auch nicht unbedingt hilft. Es ist fraglos viel Liebe im Raum, aber wir bekommen sie noch nicht kanalisiert.

Darum spielen wir im der zweiten Hälfte auf Barhockern, schon bessert sich alles. Jetzt knallt der Abend wie eine Konfettikanone. Menschen tanzen, singen lauthals rekordverdächtig, pogen, klatschen, schwitzen, es tropft von der Decke und in unsere Kehlen. Wir ändern spontan einige Songs unserer Setliste, ohne unsere Balladen zu vernachlässigen, und erleben einen abenteuerlichen Rockabend mit allem Drum und Dran.

Auch heute Standing Ovations und das Gefühl, gemocht zu werden. Ein Traum.

Nach der Show setzen wir uns noch mit einigen FreundInnen des Monsterhauses zusammen, Nico, Sebastian, Philipp von Reis against the Spülmaschine und Sandrine, reden und lachen viel, und die Zeit vergeht zu schnell.

Im Nightliner kommt es später zu einer eher langen Aftershowparty von Rüdi, Philipp und mir, wir hören Musik und trinken Bier und es fühlt sich an wie Liedermaching im Nostalgiemodus. Ob das schlau ist, soll der nächste Tag entscheiden. Aber ab und an zählt nur der Moment.