24. April 2024
von: Totte

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Was gibt’s über Potsdam zu sagen? Mit Sicherheit eine ganze Menge: Potsdam ist die Hauptstadt des Landes Brandenburg und mit knapp 190 000 Einwohnern auch dessen bevölkerungsreichste Stadt. Das an der Havel gelegene Potsdam zählt zu den prosperierenden Orten im Ballungsraum Berlin, der rund 4, 8 Millionen Einwohner umfasst. Ach ja, typisch Berlin, da will man ausnahmsweise mal was über eine andere Stadt nachlesen, schon drängelt sich die Gangstarapmetropole dazwischen. Aber verlassen wir jetzt Wikipedia, ich weiß funfactisch noch über Potsdam zu berichten, dass der Berliner Rapper Mauli unlängst hierhergezogen ist. 1: 0 für Potsdam. Peace and Love aber auch to Berlin.

Ich gehe nach den obigen Zeilen übrigens davon aus, dass Börnski und ich heute gegen 13 Uhr an der Havel entlangjoggen, quer durch den Babelsberger Park, und wir treffen Schwäne und schicke Bauten, und das tut uns gut, denn bisher war der Tag eher stressig. Urs und Lasse haben heute unseren Tourtross verlassen, das funktionierte alles nicht besonders plangemäß, weil die Busfahrkoordination aus unerfindlichen Gründen ziemlich schiefgelegen hat. Unsere Ankunft in Potsdam war darum ca drei Stunden später als geplant, und die Verabschiedung von Stress, Hektik und Zugumbuchungen bewölkt. Und blieb nur, ihnen die Daumen zu drücken und an dieser Stelle nochmal für alles zu danken, denn die zwei Herren sind eine enorme Bereicherung für jede Tour, menschlich, kompetenzmäßig, umfassend. Auf ganz bald wieder, bitte.

Zum Glück ist die Erfreulichkeit, dass nun Claudio und Werner für den Sound und Fabi fürs Merch an Bord klettern, denn wie bereits vor ein paar Tagen erwähnt, die Schwere des Abschieds mischt sich mit der Süße des Wiedersehens.

Wie verbringen wir den Tag? Ihr ahnt es, essen, schlafen, rumscharwenzeln. Ein bißchen herrscht heute dicke Luft wegen irgendwas, aber da hab’ ich keinen Bock drauf, darum leg’ ich mich zu Teddypard in die Koje und seine vertrauensvollen Augen schenken mir Optimismus und Zuversicht. Ein Touralltag ist immer auch ein bißchen Emotions-Stress, denn wo Egozentriker sich mit Profilneurotikern Zeit und Raum teilen, brizzelt die Luft naturgemäß. Aber auch derlei Gewitterwolken verziehen sich, und nach über 20 Jahren Monsters kennen eh alle Pappenheimer ihre jeweiligen Pappenheimereien. Eine meiner persönlichen Pappenheimlichkeiten, die ich euch jetzt verraten möchte, ist meine enorme Vergesslichkeit: Ich habe nämlich zum Beispiel komplett vergessen, für heute unserem geschätzen Liedermacherkollegen Freddy Knoerre den Supportauftritt zuzusagen. Freddy spielt ansonsten bei der guten Gruppe „Ernstgemeint“ und hat just sein Soloalbum „Schaltjahr“ veröffentlicht. Normalerweise haben wir keinen Support, weil unsere Konzerte an sich schon so lang sind, zumal textorientierte Konzerte auch für das Publikum immer naturgegeben etwas anstrengender sind als klassische Rockkonzerte, weil die Konzentration mehr gefordert wird. Aber für Freunde des Hauses machen wir ab und an eine Ausnahme. Diesmal hab ich es allerdings versaut, weil ich mich nicht mehr zurückgemeldet habe, darum ein Riesenpardon an dieser Stelle und eine Kaufempfehlung für euch alle: Freddy Knoerre „Schaltjahr“. Guter Typ, gutes Album.

Das Essen heute ist ausschließlich vegan/vegetarisch und ich ahne schon, dass das Armand, unseren bajuwarischen Chemnitzer, zur Grantelei veranlassen wird, und von weitem höre ich ihn bereits, doch man höre und staune: Er ist begeistert und schwelgt in höchsten Tönen, lobpreist gefüllte Paprika genauso wie Kürbis-Wraps und ist glücklich. Das freut mich, und ich kann ihm nur zustimmen: Klasse Abendessen, tolle Soße vor allem. Jetzt aufpassen, dass ich nicht zu sehr zulange.

Doch was wäre das Tourtagebuch ohne einen Konzertbericht?

Wir starten das Fire ziemlich pünktlich um 20 Uhr im ausverkauften Waschhaus. Ich muss aber gestehen, dass das Waschhaus vor allem deshalb ausverkauft ist, weil wir im kleinen Saal spielen, der kuschelig ist und sehr geeignet dazu, eine persönliche Stimmung zwischen Band und Publikum zu erzeugen. Besagtes Publikum ist heute sehr aufmerksam und beinah kabarettistisch aufmerksam, besonders Storytellersongs und spontane Ansagen mit Publikumseinbeziehung werden heute gefeiert. Ob wir heute gut sind? Ich kann es nicht genau sagen, ich weiß aber, dass wir ziemlich viel zu lachen haben, und das auch ausgiebig tun. Wir spielen wieder recht knackig, ohne große Verpeiltheiten oder Lücken, hetzen uns aber auch nicht, wenn Dialoge sich entwickeln. Für Claudio, der heute noch zurück nach Berlin muss, organisieren wir auf der Bühne eine Mitfahrmöglichkeit, ein mutiger Hamsterkäufe-Solist wird mit Gratisbier belohnt und bestimmt vergesse ich wieder Dreiviertel der besonderen Momente. Doch das ist eben das magische an Konzerten, es zählt, es mitzuerleben, hier kann allerhöchstens ein matter Nachglanz konserviert werden. Ein paar Probleme haben Rüdi und ich mit dem Sound, irgendwie spielt unser Monitor verrückt und ändert ständig von selbst seine Lautstärke, doch wir ziehen das Ding durch, zumal die Stimmung ja nicht drunter leidet. Die Menschen hier rocken und singen mit, wenn sie nicht gerade konzentriert zuhören, und – es ist mir langsam fast peinlich, aber nur fast, denn noch mehr freut es mich, darum erwähne ich es auch dieses Mal – zum Ende werden wir mit Standing Ovations beschenkt. Es ist alles einfach ein Wunder, es ist alles einfach wunderbar. Vielen Dank, liebes Potsdam, das war ein monströser Mittwoch. Und bevor ich es vergesse: Vielen Dank liebes Waschhaus-Team um Finn und Jacob, toller Laden, tolle Leute, tolles Licht.

Nach der Show treffen wir noch Freunde wie Fotografin Anja, Sandrine und natürlich Freddy und Ete von Ernstgemeint, schon muss Claudio leider wieder nach Berlin abdüsen, wir herzen ihn innig und freuen uns auf Hamburg, der Abbau geht wie von alleine, dann genießen wir erst noch das Nachtambiente an der Havel bei Pogues und Wein, bevor wir uns nach und nach wieder im Bus versammeln. Werner versucht, mir etwas über Kryptowährung zu erklären, ich gleichzeitig, ihn mit Teddypard bekanntzumachen, und beide Vorhaben klappen nur bedingt, ums euphemistisch auszudrücken. Den Abschlusswodka trinke ich lieber nicht mehr aus, da er auch zum Abschusswodka mutieren könnte, darum schenke ihn der Wiese, bevor ich Zähne putze und schlafen gehe. Es ist nicht die wildeste Partynacht aller Zeiten, aber „Allerzeiten“ ist sowieso ein blöder Messwert. Ich liege in der Koje, in meinem Kopf erklingt „Our House“ von Madness, und das ist ungefähr das Gefühl, das ich verspüre, im Hier und Jetzt. Könnte schlimmer sein. Schöner kaum. Gute Nacht.

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