21. April 2024
von: Totte

Heute ist Elantag, so scheint es. 98% unserer Kaffeefahrt haben ausgeschlafen und sitzen schon in der Buslounge, von wo aus sie bei Kaffee zunächst die Sonne bestaunen, dann einen Herren, der etwas skurill redneckig mit Schaufel winkend oder wütend, wir können es nicht genau sagen, über den Platz flaniert.

Labörnski ist totaler Energieboy, da spare ich mir lieber gleich die Frage, ob wir das Jogging heute ausfallen lassen können, und hüpfe hinterher. Es lohnt sich sehr, die Musa befindet sich gleich bei einem Fluss, ich glaube, der Leine, und den laufen wir eine ganze Weile entlang, Sommermelodien summend und Blumenkrönchen auf dem Gemüt. Der Weg wird grasiger und matschiger, und immer mehr zu einer Stakserfahrung, zumal mir dann wieder die bestialischen Zecken einfallen, die liebe Menschen gerne hinterrücks überkrabbeln. Von da an storch’ ich nur noch schimpfend und nölend, Labörnski hinter mir eher spöttisch augenverdrehend, aber dafür sehr fußlahm, weil seine tollen tiefen Schuprofile inzwischen ca. den gesamten Matsch des Göttingerackerlandes erschwerend tragen. Mit diesen erdigen Plateauschuhen mißt er jetzt nahezu zehn Meter, aber wackelt wie ein Jengaspiel mit Wodkabeteiligung. Als wir endlich wieder die Zeckenschlammhölle verlassen haben, wird augenblicklich alles wieder wie vorher, nur etwas pusteloser. Aber unsere Laune ist sehr gut, sowas kann Bewegung tatsächlich bewirken. Schokolade oder „Black Books“ allerdings auch.

In der Musa angekommen, werden wir allerliebst empfangen, zum Beispiel von Hanna, die erzählt, dass hier noch gestern fröhlich Punks tobten, und darum alles noch nicht ganz fertig sei, dabei glänzt und funkelt der ganze Saal und der Kühlschrank birst vor Angebot, und vor allem Clara und Marcel im Cateringraum haben ein Frühstück/Lunch-Büffet gezaubert, dass der Hosenbund platzt.

Es ist alles superlecker und superschön angerichtet, aber vor allem das Süßkartoffelsüppchen ist eine derartig kraftspendende Sensationssuppe, dass unsere Gaumen kleistern und sogar unser bayerischer Busgrantelboss Anrmand rotwangig freudig umherspringt, weil er das Rezept bekommen hat. Ich werde es ihm allerdings bis zum Tourende stehlen, das ist klar.

Ihr kennt das, nun kommt die tote Zeit, die man selbstverständlich mit Leben füllen könnte, wäre man nicht so bräsig und verkommen smartphone- und schlafsüchtig.

Immerhin lese ich den Tourbericht von gestern zweimal live, weil ich zwar auch smartphonesüchtig, aber zusätzlich zu blöd zum Buttondrücken bin.

Wir bekommen heute Besuch von lieben Freunden und Familymembers, Sterni und Stolle, um nur zwei zu nennen, aber Interna sind nur cool, wenn’s was zu verbergen gäbe, und dazu sind wir zu behäbig.

Also flugs zum Gig: Es sind viele langjährige BegleiterInnen da, heute hat das wirklich etwas von Klassentreffen zur Lieblingsband, wobei gar nicht klar ist, welche Seite der Bühne die Lieblingsband ist, denn der Graben verschwimmt völlig.

Burger ist in Trink- und Spiellaune, er zerlegt gleich bei Song Nummer eins seine Saiten, featured aber dafür Sohnvideo-Hauptdarsteller Tamo und schwenkt freudig das Rotweinglas, Rüdi fisselt eine Maxivariante und Fred erklärt die Problematik der Tastenzahl seines Keyboards im Gegensatz zur Saitenzahl der Klampfen. Labörnski zaubert sich weg und wieder zurück und Pensen spielt spontan Nylonklampfe. Wir reden über Messdienersonntage unter Weihrauchdunst, verzetteln uns in hymnische Querelen und schlittern völlig ohne Schwere durch den Abend. Auch ich habe mich wieder freigespielt, mein Bremer Knoten ist gelöst und es wird ein durch und durch schönes Konzert, und auch wenn das Publikum in der ausverkauften Musa wirklich rockmäßig mitsingt und frenetisch abgeht, ist die Konzentration bei den leisen Liedern voll da und interagierende Ansagen (Fachbegriff für: Monstergelaber) funkeln so wie der ganze Saal beim Seefahrerlied. Wie Gischt in der Brandung springen zum Schluss alle auf und schenken sich gegenseitig stehende Ovationen, das Publikum uns und wir dem Publikum. Wir haben uns lieb, das ist Fakt.

Jetzt wird gefeiert! Und zwar minutenlang. Denn wenn wir gestern schon dachten, dass das Zeitkorsett bis zur Abfahrt echt eng sei, wurde es heute aufgrund Buswartezeitvorgaben und der überraschenden Kaltwetterfront nochmal eine Stunde enger geschnürt. Darum bleibt uns nur eine Stunde, um uns unter die Menschen zu mischen, mit Freunden zu prosten, den Bus einzuladen und nochmal rasch aufs Klo zu gehen. Schon brummt der Bus wieder los. Null Uhr 15: Mein Vater hat Geburtstag. Wir schicken einen Gratulationsgruß per Foto und ich noch ein paar tiefe Gedanken und Wünsche hinterher. Happy Birthday, möge deine Geburtstagsparty heute so schön sein wie unser Konzert in Göttingen. Kanpai!