3. April 2025
von: Totte

Es geht wieder auf Tour. „Endlich!“ denkt sich der eine, „Schon wieder?“ der nächste.

Ich habe nur wenig geschlafen, weil ich nie schlafen kann, wenn am nächsten Tag was ansteht. Darum sollte, wenn es um meine Nachtruhe geht, möglichst nie was anstehen, und das empfehle ich eigentlich auch allen anderen Menschen. Wir sehen ja, wohin uns dieser ganze Termindruck hingeführt hat.

Mein Wecker klingelt um sechs Uhr, und ich habe höchstens drei Stunden geschlafen. Allerdings habe ich mir auch vorgenommen, wieder etwas aktiver in die Tour einzusteigen, also verzichte ich auf die Snoozefunktion und wälze mich stattdessen von der Matratze, um eine Runde zu joggen. Das klappt sogar erstaunlich gut und hernach fühle ich mich ich etwas energieversorgter als zuvor.

Ich packe meine Tasche und eile zum Monsterslager, wo auch Labörnski, Pensen und Urs bereits eintreffen. Alle anderen Kollegen kommen separat bzw. werden unterwegs eingesackt, also klingeln wir Bernd an, der mit dem Supernightliner bereits bereitparkt und laden unser ganzes Geraffel in den Bus. Es ist sehr viel Geraffel, traditionell, denn zum Tourstart sind die Kisten noch zahlreich und alle voll. Das Laden wird im besten Fall nun von Tag zu Tag angenehmer, jedenfalls, wenn wir gut verkaufen, sonst bleibt es stets Moment der Niederlage, aber bleiben wir mal optimistisch.

Im Bus ist die Stimmung gleich ausgelassen klassenfahrtmäßig, mir ist das zu laut, ich sehne mich nach Ruhe oder mindestens Freundlichkeit, aber schon der großartige Thorsten Nagelschmidt schrieb in seinem Debüt „Wo die wilden Maden graben“ sehr treffend, dass in Tourbussen fast augenblicklich nach Abfahrt jede Zartheit von einer rauen Gehässigkeit verdrängt wird. Auch Keith Moon hat darunter gelitten und sich oft gewünscht, statt mit den Who, lieber mit den Searchers zu reisen. Ich hatte weniger große Pläne, aber zumindest immer gehofft, dass das im Alter nachlässt. Na ja, Pustekuchen, geh ich halt in die Koje schlafen und lesen.

Darum verpasse ich auch Freds Ankunft, die aber, wie ich akustisch bestens vernehmen kann, mit „Happy Birthday“-Gesängen adäquat gefeiert wird. Dann schlummere ich bis zur Ankunft.

Wir spielen heute in Bremen-Vegesack, und aufgrund des etwas mäßigen Vorverkaufs wurde unser Konzert vom „Kuba“ ins fußläufig erreichbare „Kito“ verlegt. „Mäßiger Vorverkauf“ ist natürlich nichts, was man sich besonders wünscht, aber die Realitäten sind hart und wir eben eine Nischenband. Dass Mario Barth, der heute zeitgleich in Bremens Arena spielt, irgendwas damit zu tun haben könnte, möchten wir aber unbedingt von der Hand weisen, denn wer da hingeht, kann mit uns eigentlich nichts zu tun haben. Aber da sieht man, wie`s um die Welt bestellt ist: Mario Barth: Arena, Monsters: Kito.

Was man aber sagen muss: Das Team um Joschi ist supernett und uns auch schon bekannt und das Kito ist sehr schön, gemütlich und eher breit als lang, was bedeutet, dass etwa ein Drittel Publikum uns heute nur teilweise sehen kann, weil es neben Rüdi sitzt.

Der Tag ist sonnig und der Club liegt gleich beim Hafen, nach einer enervierenden Ladeaktion (Geraffel aus dem einen Bus in den Clubsprinter, dann Geraffel aus dem Clubsprinter in den dritten Stock des Clubs, immerhin mit Fahrstuhl) folgt jedes Monster seinem Ruf und genießt den Tag nach eigenem Gusto. Wir sind noch nicht im Tourmodus, unser Gang-Geist muss sich erst noch mit den Tagen entwickeln. Ich zum Beispiel genieße die Sonne und Stephen Kings „Institut“.

Dann wird’s auch langsam Zeit für den ersten Soundcheck der Tour, während Urs unseren Klang zaubert, versuchen Haustechniker Simon und ich mit vereinten Kräften, unsere Melodica zu retten, deren Tasten sich, wahrscheinlich nach den Jahren Schwerstarbeit ohne Fürsorge, verklemmt haben und nicht mehr wollen. Wir schaffen es aber und versprechen ihr im Anschluss, sie von nun an besser zu behandeln. Tobi, unser Mercher baut einen wunderschönen Stand auf, und Rüdi und Burger sind übrigens natürlich ebenfalls längst da.

Spulen wir zum Konzert vor:

Wir sind im Vorfeld zittrig, ungewohnt aufgeregt und ungroovy, aber schon beim ersten Ton verpufft das alles und wir erleben einen Tourstart der Extraklasse. Das Publikum, darunter auch viele Freunde wie Grilli Flash, Friederike, Sandrine und Julia, feiern in einer Herzlichkeit mit, dass unsere Herzen hüpfen, und das Konzert ist gespickt mit Highlights, von denen ich keins genau benennen könnte, aber alles ist einheitlich toll. Der Monsters-Spirit ist wieder voll da. Wir erzählen viel und spielen noch mehr, Lieder ohne Text und Fisseln bekommen neue spontane Mantrapassagen, und zum Ende dürfen wir uns vor standing Ovations verbeugen, die nicht pflichtschuldig freundlich, sondern uns ehrlich herzlich erscheinen. Wirklich toll. Nach dem Konzert unterhalten wir uns noch ein bißchen mit lieben Menschen vor dem Club, und Friederikes Klavierkuchen, den sie Fred zum Geburtstag selbst gebacken hat, ist ein absoluter Augen- wie Gaumenschmaus.

Statt Party heißt es heute aber, nochmal: Geraffel in den Fahrstuhl, Geraffel aus dem Fahrstuhl in den Clubbus, Geraffel aus dem Clubbus in den Nighliner laden, und da das naturgemäß wieder nur drei Monsters machen, während die anderen sich im Nighliner verstecken, ist das anstrengender und zeitaufwändiger, als wenn jeder sich mal eine Kiste gegriffen hätte. Tja, that’s Showbusiness, und die Betonung liegt auf „Business“. Aber legt man die Betonung auf „Show“, dann war das heute ein absolut großartiger Abend voller toller Leute und Momente, und dafür danken wir euch sehr.

Im Bus sitzen wir nun beisammen, drehen Zigartetten und/oder futtern Semmeln.

Es ist jetzt inzwischen nach Mitternacht und unser Album „Setzen, Sekt!“ offiziell geboren. Happy Birthday.

Sehr schönes Album. Ich geh‘ schlafen.