von: Totte

Ich wache auf. Gibt’s eigentlich einen Tourbericht, der anders beginnt? Egal.

Ich wache auf.

Der Großteil der Band sitzt bereits in der Buslounge beisammen, trinkt Kaffee und raucht, aber das ist mir jetzt zu qualmig, darum verziehe ich mich zwecks Tourberichtschreibung in den hinteren Busbereich, bis wir Koblenz erreichen.

Der Circus Maximus liegt gleich an der Hauptstraße, aber Bernd jongliert das metallene Ungetüm gewohnt souverän in Tetrismanier vor die Tür.

Labörnski und ich zollen der Meisterleistung kurz Tribut, dann spazieren wir zum etwa zwei Kilometer entfernten Hotel, wo uns ein Zimmer zwecks Duschmöglichkeit reserviert wurde. Ihr denkt jetzt vielleicht: Nightliner? Hotel? Sonst noch was, ihr dekadenten Ferkel?

Aber abgesehen davon, dass ihr natürlich prinzipiell recht habt, möchte ich darauf hinweisen, dass Nightlinerfahren ein bisschen wie Camping ist, und wer schon mal Sonntag mittags in sengender Sonne im Zelt erwacht ist, weiß, wie elementar wichtig eine Dusche ist, um sich wieder in der Lage fühlen zu können, sich in die Gesellschaft einzureihen. Manche Clubs haben aber keine Dusche, und die reservieren dann einen sogenannten Dayroom, wo man Hygiene walten lassen kann. Meist in der Nähe, manchmal quasi eine Stadt weiter.

Wir beide haben aber zusätzlich noch den verwegenen Plan, erstmal eine Runde zu joggen, und das ziehen wir auch eisern durch. Eine gute Dreiviertelstunde laufen wir am malerischen Rhein entlang, der sicher noch malerischer strahlen könnte, wäre nicht direkt daneben eine Riesenstraße hingepfuscht worden. Aber Menschen denken eben, Mobilität sei alles. Dabei ist nur Zeit alles, der Rest Makulatur.

Trotzdem schön und befreiend, so ein wenig rumzutollen, und nach der anschließenden Dusche im Hotel Scholz sind wir wohlgelaunt und voller Energie.

Zurück am Club lernen wir zunächst den sehr freundlichen Techniker Carsten kennen, auch Katrin, die uns betreut, ist sehr sympathisch, und wir laden unser Geraffel in den Club. Anschließend Brötchen und Cola-Orange bis zum Abwinken und Stephen King- Lektüre bis zum Soundcheck.

Wir proben kurz Mr. Parker, aber – Spoiler – vielleicht hätten wir das länger proben sollen, doch in der Zwischenzeit ist Alex von Moshed.net eingetroffen, und Labörnski, Burger und ich geben ein sehr launiges Interview. Schöne Sache. Schon ist’s Zeit fürs Abendmahl, ich setze aus, weil mir heute alles zu gehetzt ist. Eigentlich bekommen wir heute sowieso nur Hetzinstruktionen: Konzertbeginn eine Stunde früher, Essen nur bis 18 Uhr, weil geschlossene Gesellschaft danach.

Als ich Gläser für den Backstage holen möchte, wird mir erklärt, dass ich gerade den Cocktailkurs störe. Ehrlich gesagt, bin ich etwas genervt.

Aber andererseits füllt sich der Circus toll und die Leute scheinen mächtig Bock zu haben. Wir entern die Bühne und es geht los. Das Konzert wird laut, ein bisschen krawallig, aber nicht zu sehr, denn andererseits sind die Leute trotz minimaler Teilbestuhlung durchaus in der Lage, auch den leiseren Tönen zu folgen. Magisches Highlight des Abends ist Rüdis „Steinlied“, so nenn ich es jetzt mal in Ermangelung des echten Titels, sehr gänsehäutig, besonders dadaistisch hingegen die Mr. Parker- Version, die quasi eine atonale Neuinterpretation wird. Wir sind insgesamt nicht ganz so knackig wie gestern, eher hibbelig charmant, aber Koblenz ist voll bei uns, feiert wild und belohnt uns mit Standing Ovations. Um 21:45 Uhr sind wir bereits fertig, haben aber nicht einen Song weniger gespielt als gestern. Allein der Zeitdruck hat uns anscheinend enorm beschleunigt. Leider habe ich zudem Labörnskis Superansage vergessen, die ich gerne als Plattentitel verwendet hätte. Immer muss alles verloren gehen.

Nach dem Konzert bleibt uns kaum Zeit, angemessen mit unserem Publikum zu korrespondieren, weil die Discoherren uns bereits Bühnenelemente in die Kniekehlen drücken, aber immerhin bleibt uns noch der Backstagebereich, wo wir ein paar Getränke zu uns nehmen und uns mit Markus und Mareike vom Punkduo „Schlecht und Billig“ bestens unterhalten.Als wir uns schließlich zwecks Abfahrt in den Bus verziehen, gebe ich einer sympathischen Runde im Maximus noch eine Berliner Luft aus, halte noch einen Kleinsprech mit dem nicht minder sympathischen Mitarbeiter Nico, dann aber geht’s ab in Richtung Düsseldorf.

In trauter Runde sitzen wir in der Lounge beisammen, trinken einen Absacker, Labörnski und ich bestärken uns gegenseitig im Vorhaben, morgen trotzdem zu joggen, Tobi legt beste Musik von F.A.B. bis Fettes Brot auf, aber nach und nach gewinnt die Vernunft, und nach „Rape me“ von Nirvana sehen wir alle den Zeitpunkt als gekommen, nun in die Kojen zu verschwinden. Stephen King fällt heute aus. KoblenzerInnen, ihr seid wundervoll. Vielen Dank.